Januar 27, 2017
Berlin, 27.01.2017 – Rund 90 Teilnehmerinnen und Teilnehmer diskutieren bei der gestrigen Begleitveranstaltung des Deutschen LandFrauenverbands (dlv) über die digitale Zukunft der Vereine und des Ehrenamts in den ländlichen Regionen.
Die inhaltlichen Grundlagen steuern Dr. Mike Weber und Nora Wegener vom Kompetenzzentrum Öffentliche IT bei. Ihre fünf Thesen lauten: 1. IT stärkt bürgerschaftliches Engagement, 2. die Flexibilisierung durch die digitalen Möglichkeiten bedient einen gesellschaftlichen Bedarf, 3. Digitalisierung bringt neue Formen bürgerschaftlichen Engagements hervor, 4. die Organisationen profitieren von den neuen Möglichkeiten und 5. digitales Engagement braucht mehr Anerkennung und Förderung.
Laut der beiden Experten überwiegen die Chancen. Sie verschweigen aber auch nicht die Herausforderungen. So bringt die digitale Vernetzung zum Beispiel Verbesserungen in der Kommunikation mit den eigenen Vereinsmitgliedern und nach außen. Es bedeutet aber auch gleichzeitig Mehraufwand. Die Facebook-Seite oder die App eines Vereins muss regelmäßig gepflegt werden. Dafür braucht es Engagierte mit freien Kapazitäten und dem nötigen Know-how.
dlv-Präsidentin Brigitte Scherb befürchtet, dass digitale Bildungslücken im Ehrenamt entstehen könnten, wenn nicht gehandelt wird. Sie bedauert, dass im Programm der Bundesregierung für digitale Bildung die ehrenamtlich Engagierten nicht ausreichend berücksichtigt worden sind. „Im Crowdsourcing und Crowdfunding machen unsere Vereine gute Erfahrungen. Ortsgruppen kommunizieren über Whats App. Vereine denken darüber nach, Ausschussdokumente nicht zu mailen, sondern sie online abrufbar zu machen. Wir sind offen für die neuen digitalen Möglichkeiten, werden aber auch darauf achten müssen, dass wir alle mitnehmen und das Ehrenamt nicht überfordern“, führt Scherb aus.
Claire Sauvaget von der Generaldirektion Landwirtschaft und ländliche Entwicklung bei der EU-Kommission sieht vor allem Chancen in der Digitalisierung des Ehrenamtes. Sie beleuchtet in ihrem Impulsbeitrag verschiedene Aspekte der EU-Politik zum Thema Digitalisierung in den ländlichen Gebieten. So unterstützt die EU den Breitbandausbau in den ländlichen Regionen. Sauvaget sieht außerdem über das EU-Förderprogramm Leader Möglichkeiten, das Ehrenamt 4.0 auf dem Land zu unterstützen.
In der Podiumsrunde lenkt die Moderatorin Caroline Dangel-Vornbäumen vom dlv den Fokus auf neue Formen des digitalen bürgerschaftlichen Engagements in den ländlichen Räumen.
Pastor Bartels mit seinem Projekt „Das vernetzte Dorf“ erklärt, wie Nachbarschaftshilfe 4.0 funktioniert. „Wer kann heute auf dem Weg mein Paket mitnehmen? Ich gehe gleich einkaufen, braucht jemand etwas?“ Angebot und Nachfrage werden mittels einer App oder anderen digitalen Hilfen zusammengebracht. Die Überzeugung von Bartels ist: Insbesondere die Älteren sind es, die einen Mehrwert in solch einem Engagement sehen.
Steffi Trittel, Mitglied des dlv-Präsidiums und Bürgermeisterin der Gemeinde Hohe Börde, berichtet von ihren Erfahrungen mit der Ehrenamtsdrehscheibe in ihrer Gemeinde. Ihre Antwort auf die Frage, warum das Land überhaupt noch Vereine benötigt, fällt eindeutig aus: „Das Gemeinschaftsgefühl und die Zugehörigkeit führt besonders die jüngeren, neuen Mitglieder zu uns“, erläutert sie.
Lutz Stratmann, Demografieagentur für die niedersächsische Wirtschaft, rät den Verbänden, sich Expertise von außen zu holen. Die Digitalisierung gehört zu den Megatrends, die nicht nur die Arbeitswelt, sondern auch das Arbeiten in ehrenamtlichen Organisationen verändert. Die Digitalisierung muss bei der Weiterentwicklung der ehrenamtlichen Organisationen mitgedacht werden.
Die abschließende Diskussion führt zu dem Ergebnis, dass die Vereine davon profitieren, wenn sie sich neuen digitalen Engagementformen öffnen und sich diese nutzbar machen. Das Ehrenamt auf dem Land tut gut daran, sich über Organisationsgrenzen hinweg noch stärker digital zu vernetzten. Um allen Engagierten digitale Teilhabe zu ermöglichen, sind maßgeschneiderte Bildungsprogramme notwendig.
Die Präsidentin Brigitte Scherb wünscht sich zum Abschluss der Veranstaltung, „dass wir alle gemeinsam weiter an dem Thema dran bleiben. Am liebsten in Form eines größer angelegten Dialogs der Verbände, der Wissenschaft, Wirtschaft und Politik.“
Die Tagung findet als Begleitveranstaltung im Rahmen des 10. Zukunftsforums des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft im Rahmen der IGW 2017 statt.
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